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HF-Diplomarbeit: Energie(w)ende?

Was Photovoltaik-Anlagen und Wärmepumpen für eine effiziente Gebäudekühlung sind, waren Tobias Oberhänsli und Roland Uitz für ihre HF-Diplomarbeit: ein gutes Team. Neben einem erfolgreichen Abschluss als «Dipl. Techniker HF Gebäudetechnik» barg diese Arbeit allerdings auch Herausforderungen.

 

Alles andere als kühl

Das Adrenalin schoss in die Höhe und das körpereigene Kühlsystem drohte auszusetzen. Der Samstag, 24. August 2019, war ein emotionaler Tag für die beiden HF-Absolventen. Es war an der Zeit, ihre fertiggestellte Diplomarbeit zur Beurteilung durch die Experten auf den Schulserver zu laden und somit in fremde Hände zu legen. Sie haben viel Herzblut hineingesteckt und müssen nun die Kontrolle abgeben. Über fünf Monate erarbeiteten sie exakt 111 Seiten voller geballtem Wissen zur Klimaentwicklung, thermischer Behaglichkeit in Räumen, Wärmepumpen, Solarzellen und die Verbindung der beiden Energieerzeuger zwecks verbessertem Klimaschutz und Effizienzgewinnung. Bis zum Schluss haben sie immer wieder Korrekturen vorgenommen. Am Ende waren sie dann doch überzeugt, die Arbeit in ihrem aktuellen Zustand abzuliefern. Ihr Bauchgefühl täuschte sie nicht. Mit der Note 5.5 erreichten sie eine hervorragende Leistung und sind voll und ganz zufrieden damit.

 

Eines ergab das Andere

Kennengelernt haben sich die beiden vor etwa fünf Jahren bei der Inbetriebnahme einer Wärmepumpe. Tobias Oberhänsli arbeitete damals als Projektleiter Service und Roland Uitz als Service-Techniker bei unterschiedlichen Firmen. Es trafen sich zwei Gleichgesinnte, die sich gegenseitig motivierten das Studium zum «Dipl. Techniker HF Gebäudetechnik» zu starten. Dass sie dieser Lehrgang nicht nur in einem Klassenzimmer vereint, sondern später auch noch ins gleiche Team führen wird, ahnten sie anfangs nicht. Mit der Ernennung zum Service-Leiter «Erneuerbare Energien», nahm Roland Uitz bei seinem Arbeitgeber Hoval kurz vor Studiums- Halbzeit eine neue Herausforderung an. Dank ihrer gegenseitigen Sympathie konnte Tobias Oberhänsli als Service-Techniker bei Hoval einsteigen und somit zusätzlich zum Studium auch noch das Team von Roland unterstützen.

 

«Die Kombination von einer Wärmepumpe mit einer PV-Anlage ist zweifellos das Energieerzeuger-Paar der Zukunft.»

Tobias Oberhänsli und Roland Uitz

Dipl. Techniker HF Gebäudetechnik

quote

Die Vision

«Was wir heute bauen, muss auch den klimatischen Bedingungen in 50 Jahren noch genügen. Der Klimawandel hat Konsequenzen – der Heizwärmebedarf wird zukünftig sinken, während der Kältebedarf exponentiell ansteigen wird», wissen die beiden, «bereits heute entscheiden sich über 90 % der zukünftigen Eigenheimbesitzer für eine Wärmepumpe. Vieles spricht dafür, dass sich dieser Trend fortsetzen wird. Parallel dazu führen die Klimaschutzziele zu einem verstärkten Ausbau von Photovoltaik-Anlagen. Betrachtet man beide Entwicklungen gemeinsam, dann ist die Kombination von einer Wärmepumpe mit einer PV-Anlage zweifellos das Energieerzeuger-Paar der Zukunft. Leider wird dem Thema Gebäudekühlung im Einfamilienhaus- Segment noch viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt.» Dem wollten die beiden entgegenwirken und im Rahmen ihrer Diplomarbeit gemeinsam ein Handbuch für Bauherren erstellen, damit diese sich umfassend über ökonomisches und ökologisches Kühlen informieren können.

 

Kommunikation ist das A und O

Die Ausgangslage und das gemeinsame Ziel waren nun also geklärt. Doch wie gingen sie weiter vor? Sie steckten den Rahmen ab, teilten sich ihre Arbeitsgebiete auf und trugen so ihre Erkenntnisse in der gemeinsamen Arbeit zusammen. Was die Teamarbeit allerdings erschwerte, waren die gemeinsame Datei, mit der nicht beide gleichzeitig arbeiten konnten, und die Abstimmung der Texte untereinander. Dies brachte während der Entstehung der Arbeit zunehmend Schwierigkeiten hervor und erforderte viel Kommunikation und Koordination. «Eine Arbeit im Team zu erstellen ist nicht gleich effizient wie sie alleine zu erarbeiten», ist ihre Schlussfolgerung nach Abgabe. Jedoch gewinnen sie der Teamarbeit auch viel Positives ab. Wenn der eine im Motivationstief steckte, konnte ihn der andere mit gutem Zureden wieder aufmuntern. Trotz hitziger Diskussionen haben sie den gegenseitigen Respekt nie verloren und blieben auf sachlicher Ebene. Weder die Arbeitsbeziehung noch die private Freundschaft haben darunter gelitten. Ihre Augen leuchten, wenn sie von ihrer Arbeit erzählen dürfen und sind nach wie vor Feuer und Flamme für dieses Thema.

 

Energie-Ende?

Es war für beide ein sehr intensiver Lebensabschnitt. Besonders auch für den Familienvater Roland, der immer zwischen Job, Weiterbildung und Familie stand. Nur durch die grosse Unterstützung seiner Frau hat er die Weiterbildung gemeistert. Für ihn ist nun klar, dass die Familie wieder an erster Stelle stehen muss. Für ihren beruflichen Weg sind sich Tobias und Roland einig: Sie wollen noch mehr. Sie arbeiten immer noch im selben Team bei Hoval. Während Roland Uitz sein Wissen in Management und Führung vertiefen möchte, sieht Tobias Oberhänsli sich selbst auf dem Gebiet der Systemtechnik und möchte sich mehr mit dem Thema der Vernetzung der verschiedenen Gewerke befassen. Es bleibt also bei beiden spannend.

 

Das komplette Management Summary zur Arbeit 

  • Ausgangslage

    2018 – ein Jahr der Superlative? Ja, denn das Jahr 2018 war laut einem Bericht der OcCC das wärmste Jahr in der Schweiz seit Beginn der Messungen vor 155 Jahren. Die Auswirkungen der Klimaerwärmung sind nebst trockenen Sommern und schneearmen Wintern auch eine Zunahme heftiger Niederschläge und deutlich mehr Hitzetage mit Tageshöchsttemperaturen von 30 °C und mehr. Vorausgesetzt, dass weltweit grosse Anstrengungen zum Klimaschutz unternommen werden, ist in der Schweiz bis in 40 Jahren mit zusätzlich 12 Hitzetagen zu rechnen, was in etwa einer Verdopplung gegenüber heute entspricht. Weniger optimistische Szenarien gehen von zusätzlichen 22 Hitzetagen aus. Die Herausforderung wird künftig darin bestehen, die sommerliche Überhitzung der Gebäude zu vermeiden. Zurück zum Jahr 2018, in dem ein weiterer Rekord aufgestellt wurde. Niemals zuvor wurden in der Schweiz innerhalb eines Jahres mehr Wärmepumpen verkauft. Mit 21'964 installierten Wärmepumpen konnte der Absatz gegenüber dem Jahr 2017 um 9,8 % gesteigert werden. Damit erreicht die Wärmepumpe bei Neubauten einen Marktanteil von 90%.

  • Ziel

    Sowohl für das Klima als auch für den Absatz von Wärmepumpen haben die Prognosen eindeutig positive Vorzeichen. Was für Badigänger verheissungsvolle Nachrichten sind, ist für zukünftige Bauherren ein Grund, beiden Trends grösstmögliche Aufmerksamkeit zu schenken und sich ernsthaft mit dem Thema Gebäudekühlung auseinanderzusetzen. Dabei kann der Bauherr davon profitieren, dass eine Wärmepumpe – der Energieerzeuger der Zukunft – sich bestens für die Einbindung in ein wirtschaftliches und ökologisches Gebäudekühlkonzept eignet.

  • Motivation

    Leider wird dem Thema Gebäudekühlung im EFH-Segment noch viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Das zeigt sich darin, dass der Absatz von mobilen Klimageräten bei hohen Temperaturen regelmässig in die Höhe schnellt. Interdiscount und Microspot meldeten im Jahr 2018 eine Verdopplung des Absatzes dieser Geräte gegenüber dem Vorjahr. Dabei entpuppen sich mobile Klimageräte als wahre Stromfresser und sie arbeiten oftmals ineffizient. Die Angabe des Effizienzindex «EER» (Energy Efficiency Ratio) - dem Verhältnis von Kühlleistung zum Stromerbrauch – fehlt leider oft bei diesen Geräten. Viele Geräte tragen dafür das Energielabel «A». Da die Effizienzklassen der Energieetikette der technischen Entwicklung hinterherhinken, ist die Aussagekraft dieses Labels aber stark eingeschränkt. Auch unterscheiden sich die Anforderungen der Etikette der verschiedenen Kategorien von Klimageräten. Oftmals ist fehlendes Wissen ursächlich dafür, dass sich der Bauherr im EFH-Segment nicht hinreichend mit dem Thema Kühlen auseinandersetzt. Das Thema Gebäudekühlung wird dabei seitens Architekten, Planer oder Installateur überhaupt nicht oder nur am Rande thematisiert. Mit dieser Arbeit kann sich der Bauherr umfassend über ökonomisches und ökologisches Kühlen in Einklang mit geltendem Recht informieren. Die Entscheidung, ob und mit welchem Gebäudekühlkonzept die Gebäudekühlung umgesetzt werden soll, kann dann auf einem breit abgestützten Wissen erfolgen.

  • Umfang

    Leser erfahren konkret wie sich das Klima in der Schweiz voraussichtlich verändern wird und warum das zukünftige Klima ein Gesundheitsrisiko für eine alternde Gesellschaft darstellt. Was ist thermische Behaglichkeit und durch was wird sie beeinflusst? Wie funktionieren Wärmepumpen und wodurch unterscheiden sie sich? Warum hat Photovoltaik in der Schweiz ein riesiges Potential und warum sollte der mittels PV erzeugte Strom wenn möglich selbst verbraucht werden?

  • Weg

    All diese grundlegenden Fragen werden in dieser Arbeit beantwortet, bevor dem Leser verschiedene Systeme zur Gebäudekühlung vorgestellt werden. Anhand von konkreten Fallbeispielen werden die Anschaffungs- und laufenden Kosten der Kühlsystem-Varianten gegenübergestellt. Im Anschluss gibt diese Diplomarbeit Empfehlungen zur Systemwahl, die den zentralen Forderungen an eine wirtschaftliche und ökologische Gebäudekühlung Rechnung tragen und dabei den aktuellen technischen Stand in der Wärmepumpentechnologie sowie die gesetzlichen Rahmenbedingungen berücksichtigen. Der Anhang soll dem interessierten Leser die Möglichkeit bieten, sein Wissen zu verschiedenen Themen dieser Diplomarbeit wie den wichtigsten Normen und Fördermöglichkeiten zu vertiefen.

  • Fazit

    Stand heute entscheiden sich bereits über 90% der zukünftigen Eigenheimbesitzer für eine Wärmepumpe. Vieles spricht dafür, dass sich dieser beeindruckende Trend in Zukunft fortsetzen wird. Parallel dazu führt die «Energiestrategie 2050» und «MuKEn 2014» zu einem verstärkten Ausbau von Photovoltaik-Anlagen. Diese Marktentwicklung wird sich dadurch verstärken, dass die Gestehungskosten für PV-Anlagen mit hoher Wahrscheinlichkeit in Kürze für einen Grossteil der gebauten PV-Anlagen unter die Einspeisevergütung fallen werden.


    Betrachtet man beide Entwicklungen gemeinsam, dann ist die Kombination von einer Wärmepumpe mit einer PV-Anlage zweifellos das Energieerzeuger-Paar der Zukunft. Dieses Paar spielt seine Stärken aber vor allem im Sommer aus, wenn der überschüssige Stromanteil dazu genutzt wird, um mittels passiver oder aktiver Kühlung Kälte für die Gebäudekühlung bereitzustellen. Um grösstmöglich von dieser Entwicklung profitieren zu können, ist es nicht nur ratsam, sondern auch klug, dass sich zukünftige EFH-Besitzer frühzeitig mit dem Thema Gebäudekühlung auseinandersetzen. Nur dann lässt sich thermische Behaglichkeit, sprich ein angenehmes Raumklima - auch bei einer stetig steigenden Anzahl von Hitzetagen im Sommer – unter Berücksichtigung von wirtschaftlichen, ökologischen und gesetzlichen Gesichtspunkten zuverlässig bereitstellen.


    Die im Rahmen dieser Diplomarbeit vorgestellten Fallbeispiele verdeutlichen dies eindrücklich. Die kalkulatorischen (angenommenen) zusätzlichen Anschaffungskosten für die Gebäudekühlung betragen lediglich CHF 3‘426.- bis CHF 3‘924.-. (Annahme: Gebäudetechnik von Hoval AG). Die laufenden Kosten fallen dabei gleichzeitig sehr gering aus. Der Bauherr muss je nach Systemwahl mit CHF 38.- bis CHF 217.- im Jahr rechnen (Annahme: Gestehungskosten = 18 Rp./kWh / Strombezugskosten = 20 Rp./kWh). Wir sind überzeugt davon, dass sommerlicher Wärmeschutz - in Form von baulichen Massnahmen - und Freecooling alleine zukünftig nicht mehr ausreichen werden, um thermische Behaglichkeit in Wohnbauten zu garantieren. Aufgrund des steigenden Glasanteils in den Fassaden, dem höheren Technisierungsgrad der Häuser und des Klimawandels werden Konzepte zur Gebäudekühlung zukünftig zusätzliche Massnahmen beinhalten, wie z.B. Geocooling oder aktives Kühlen mittels Wärmepumpe. Da PV-Anlagen und aktive Kühlsysteme bezüglich Angebot und Lastgang sehr gut zusammen passen – mit der Intensität der Solarstrahlung steigt parallel zum Überhitzungsrisiko auch der PV-Ertrag – wird die Nachfrage nach «Kühlkonzepten mittels Wärmepumpe und Photovoltaik» zukünftig stark zunehmen.